Mittwoch, 8. August 2012

Emo-Kitten schlägt zu / Teil I

Ich hatte mehr zum Karneval erwartet; die Beiträge tröpfeln. Dann habe ich mich selbst daran gesetzt und durfte feststellen: Über das Thema "Emotion im Rollenspiel" zu schreiben, ohne dabei in Emo-Geschwätz zu fallen, ist schwer. Mad Kyndalanth nimmt den wissenschaftlichen Ausweg aus diesem Dilemma und nähert sich behutsam über die Bedeutungsebenen von Gefühl und Emotion an.  Mir, als hemdsärmeligem Praktiker, liegt das weniger, das kann ich nicht.

Also setze ich mal (wieder ganz hemdsärmelig) folgendes voraus: Unter Emotion oder Gefühl im RSP verstehe ich seelische Regungen wie Angst, Freude, Verzweiflung, Trauer, Glück, aber auch Spannungsempfinden des Spielers, die sich aus der Fiktion ergeben. Ja, über den Begriff "seelische Regung" kann man tief und lange diskutieren. Man kann auch "Empfindung" sagen.

Dies geschieht primär auf zwei Ebenen: Einmal durch den Übertrag von SC auf Spieler, d.h. der Spieler "empfindet" wie sein Charakter. Zum zweiten auf abstrakterer Ebene, wenn der Spieler mit seinem Überblick als (Mit)Autor empfindet, z.B. um seinen Charakter besorgt ist, weil er Dinge weiß, die sein Charakter nicht weiß.

Wie immer diese Empfindungen entstehen: Sowohl Spieler als auch SL halten diesen Zustand emotionaler Erregung für wünschenswert, für das Salz in der Suppe. Wie kann man ihn erreichen, fragt nun der Praktiker.

Ich lächle und bin ganz bei mir.



Der Spieler

Die Arbeit beginnt beim Spieler. Selbst der genialste SL kann konsumistischen, unbeteiligten Spielern, die sich nur berieseln lassen, keine Katharsis verschaffen.

Das Spiel beginnt mit dem SC. Der SL ist letztlich nur der Bühnenmeister. Wer sagt, sein Charakter sei "nur eine Hülle, aus der ich auf die Welt starre" (O-Ton), der hat was grundsätzlich mißverstanden. Der Charakter ist "auch die Hülle, in der ich die Welt forme und erfahre".

Ist der Charakter ein lebloser Sack einiger Werte, wird er in der Fiktion nichts empfinden. Er kann nicht, und weil er emotionslos ist, kann sich auch nichts auf den Spieler übertragen. Ebene 1 ist schon einmal verbaut. Aber der Spieler wird auch nichts für seinen Charakter empfinden (was soll er an ihm auch mögen oder hassen - er ist nur eine Hülle), also ist auch Ebene 2 sauber zugebaut.

Das zu verhindern ist im Prinzip einfach. Zunächst einmal ist ein kurzes Konzept eine Voraussetzung für einen runden Charakter. Darüberhinaus sollte sich der Spieler aber auch über weitere Aspekte (neuerdings mag ich dieses Wort nicht mehr) den Kopf zerbrechen.

Ich werde getrieben: Ja, ich. Wenn ich den SC erschaffe, bin ich der SC. Was treibt mich an, motiviert mich? Das sagt mir sehr vieles über mich. Rache? Goldgier? Gerechtigkeitssinn? Rastlosigkeit? Abenteuerlust? Solche Motivationen haben Ursachen. Darüber nachdenken lohnt sich.

Ich bin was Besonderes: Sonst würde ich mich ja gar nicht spielen wollen. Durchschnitt gibts im Leben in jeder U-Bahn im Übermaß. Um das zu haben, muß ich kein extrem anstrengendes, eskapistisches Hobby betreiben. Was ist das Besondere an mir? Was macht mich so toll oder auch so schrecklich? Was finde ich cool an mir?

Ich bin in der Welt: Natürlich lese ich das, was mein SL mir als Hintergrundinfo zum Setting gibt. Und dann überlege ich mir, wie ich mich einfüge. Wo passe ich, wo bin ich anders? Spielercharaktere sind (zumeist) etwas "Besonderes" innerhalb des Settings. Um besonders zu sein, muß ich die Normalität des Settings begreifen.

Ich bin schwach: Meine größte Furcht ist es, all meine Freunde und Gefährten zu überleben. Wenn ich dann den letzten zu Grabe getragen habe, sitze ich beim Kamin und starre in die Düsternis meines Hauses, einstürzenden Erinnerungen nachlauschend, die von Tag zu Tag leiser werden. Wenn der Tod mich auf diese Weise entkleidet hat von allem, was mir Freude und Licht bringt, kommt er mich holen, und ich fürchte, ich werde dann kampflos gehen. Was ist Deine größte Furcht?

Mache Deinen Charakter zu einem besonderen Bestandteil der Welt.

Das ist nicht immer einfach, aber wenn Du, Spieler, das getan hast, kannst Du Dich zurücklehnen. Alles, was Du von nun an brauchst, ist die grundlegende Bereitschaft, Dich auf die Abenteuer vor Dir einzulassen. Die Verantwortung liegt jetzt beim SL. Im II. Teil werde ich versuchen zu helfen, sie zu schultern.

2 Kommentare:

alexandro hat gesagt…

Wie tief ist unser Land gesunken, wenn alles was nicht "nüchtern-wissenschaftliche Beschäftigung mit dem psychologischen Konzept 'Emotion'" ist, gleich in die Emo-Ecke geschoben wird.

TheShadow hat gesagt…

Komisch. Hatte eigentlich geschrieben, daß "nüchtern-wissenschaftliche Beschäftigung mit dem psychologischen Konzept 'Emotion'" genau das ist, was ich NICHT leisen kann und TROTZDEM kein Emo-Geschwätz liefere.

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