Freitag, 30. März 2012

"Die Welt ist im Wandel..."

...ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft. Vieles was einst war ist verloren, da niemand mehr lebt der sich erinnert.
Tatsächlich. Es ändern sich Dinge und man kann sie riechen. Journalisten fragen wieder nach, die Magazine (zumindest im ÖR) gewannen in den letzten Monaten ihren Biß zurück. Was war es, das dies bewirkte? Der Schwarze Donnerstag in Stuttgart? Hat das Bürgertum da begriffen, hat die Mittelschicht da verstanden, daß auch sie nur Verfügungsmasse der Merkel'schen "marktkonformen Demokratie" ist, als die Staatsgewalt lustvoll zeigte, warum sie so genannt wird und es ordentlich auf die Fresse gab? Ich erinnere mich an Frau Slomka vom heute journal, die am selben Abend den Innenminister von BaWü zerlegte und nächsten Tag auch gleich noch den MP des Ländles im Interview anranzte.

Da lachte mein Herz. Es wurde von einem Interviewer nachgehakt.

Vielleicht ist es diese endlose Reihe an Parvenues, an zwielichtigen Charakteren, die uns beherrscht, die sogar ein Felix Krull verachten würde, die das Bürgertum provoziert. Ein Freiherr, der sich einen Doktor herbeibetrügt und sich immer noch als Opfer geriert, ist wohl schwer zu ertragen für selbstbewußte Träger akademischer Würden. Ein Präsident, der Ramschverkauf in seiner Wulffsschanze spielt und nach Erwischtwerden noch auf einem "Ehrensold" (man möchte ausspucken) besteht, während gleichzeitig die Existenz von Menschen wegen eines Cent-Pfandbons  vernichtet wird (und erst die letzte Instanz dieses Widerlichkeit verhindert) - das ist vielleicht so massiv, daß verschüttete Reste bürgerlicher Tugenden wie Ehrlichkeit und Anständigkeit wieder greifen mögen.

Möglicherweise ist es aber auch nur diese ungenierte Zurschaustellung von unfähigstem Mittelmaß in der Führung von Wirtschaft und Politik, Existenzen die sich dreist als "Elite" definieren und oft wirken, als bekämen sie Schwierigkeiten an einer Klippschule zu bestehen. Sie verbinden Raffgier mit dem Ruch der Beeinflußbarkeit ("Laufzeitverlängerung"), stellen offen ihre Verachtung für uns Staatsinsassen zur Schau, bohren, meißeln, hämmern, nagen an den bürgerlichen Freiheiten in echter und virtueller Welt und schleimen an entscheidenden Stellen ein paar Zentimeter zurück ("Energiewende").

Irgendwann muß es zuviel werden, und die Zeichen dafür mehren sich.

Ja, es tut sich was, denn die treuesten Bataillone beginnen abzurücken von dieser Clique, die unser Gemeinwesen vereinnahmt hat: Die Journaille, die die Errichtung dieser eiskalten Republik fast zwei Jahrzehnte mit publizistischem Unterstützungsfeuer begleiteten. Es zeigen sich Risse im festen Fundament der Herrschaft, schmal noch, aber sie weiten sich aus.

Die erzkonservative FAZ schwenkt seit der Krise teilweise um. Kulturchef Schirrmacher ist dafür verantwortlich, und war auch schon sehr eloquent zu Gast bei fefes Podcast "alternativlos". Noch erstaunlicher ist aber, daß sogar das Politressort der FAZ mittlerweile lobende Worte findet für einen Mann namens Gregor Gysie (klingt bekannt, oder?); verhalten zwar und mit Einschränkungen, aber heute durchaus auch mit Gravitas:
Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren von Union, SPD, FDP und Grünen (...) Mit diesem Vertrag beginnen Sie die Gründung einer europäischen Föderation, der Vereinigten Staaten von Europa, und zwar über eine Fiskalunion. Das aber lässt das Grundgesetz so nicht zu, wie man im Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachlesen kann.
Diese Rede (vollständig) hat auch bei den Menschen der FAZ Eindruck hinterlassen, und unausgesprochen weht durch den Artikel die Erkenntnis, daß CDSUFDPSPDGRÜN genau diesen Verfassungsbruch ohne auch nur die Vorspiegelung von Scham zu begehen gedenken. Bemüht sich der Autor noch um "Objektivität" (im Sinne der FAZ), so ledert es in den Kommentaren erst richtig los. Die Kommentarspalte des Blattes, normalerweise ein konservatives Bollwerk am Rande der Finsternis, erfreut diesmal den Leser mit deftigen Worten zähneknirschender Zustimmung.

Am Donnerstagabend berichteten die tagesthemen über Hungerlöhne in unserem Land und wie solches wohl möglich sei. Weil, möchte man da schreien, unser System 12 Jahre lang auf Gewinnmaximierung ohne sozialen Ausgleich getrimmt wurde, mit der radikalsten Umverteilung von unten nach oben und von Volksvermögen in private Taschen in der Geschichte dieser Nation. Aber das wäre kontraproduktiv. Erfreuen wir uns an den zarten Pflanzen kritischer Berichterstattung wie über die ersten Blumen nach einem Wolfswinter.

Zeit wird es für diesen Frühling, denn auf uns warten Herausforderungen, an denen wir scheitern müssen, wenn sich nichts ändert.

Bei unserer Regierung ist Hopfen und Malz verloren, und bei den Stimmbeschaffungsclowns von Grün und SPD nicht minder. Austeritätspolitik in schlimmster Krise ist Flitzekacke (würde glaube ich der Berliner sagen). Was bei uns derzeit als "Krisenpolitk" verkauft wird, wurde bereits eins zu eins vorexerziert von den Regierungen Brünung, Papen, Schleicher. Danach war das Land ein rauchender Trümmerhaufen und eine relative Mehrheit quer durch alle Schichten empfand einen Mann namens Adolf Hitler als vielversprechende und vernünftige Alternative, die man mal ausprobieren könnte. Blieb nicht ganz ohne Nebenwirkungen.

Und damit gut Nacht und viel Glück, wo immer ihr seid.