Donnerstag, 6. Februar 2014

Schalom, mein kleiner Nazioffizier

Letztes Jahr floß der Föjetong des deutschen Kwalitähtsschuhrnalismus über mit Lob auf einen ZDF-Dreiteiler namens Unsere Mütter, unsere Väter. Hab ich mir damals nicht angeguckt, denn a) floß der Föjetong des deutschen Kwalitähtsschuhrnalismus über mit Lob, was immer ein schlechtes Zeichen ist, und b) hat mich Guido Knopp gelehrt, die Kombi Nazis / ZDF zu meiden, zu fürchten und stets darauf zu achten, sie nicht in meinem Rücken schleichen zu lassen, wenn die Dunkelheit anbricht.

Danke, Guido.


Der Dreiteiler wurde also abgefeiert und fuhr tatortmäßige Einschaltquoten ein. Natürlich hat der Film die "Goldene Kamera" bekommen und wurde vor kurzem auch noch für den "renommierten Grimme-Preis" vorgeschlagen.

Ein "renommierter Medienpreis" ist ein Oxymoron, sowas wie stabile Pappteller, Heißgetränkegenießer oder exklusive Crackstricher. Das liegt am auszuzeichnenden Objekt, in dem Falle Fernsehen. Es ist halt ein traurig Ding, das deutsche Fernsehen, sei es privat, sei es den Bürgern über Kopfsteuer abgepreßt. Wer sich anguckt, was von diesem Elend alles mit Medienpreisen ausgezeichnet wird, und wie Schizophrenie die Veranstalter befällt, um auch Verachtungs-TV nominieren zu können, der weiß, wie es um solch' Renommee bestellt ist.

Doch zurück zu Unsere Väter, unsere Helden, oder wie immer das Ding hieß. Schon im Sommer war in Polen die Reaktion nicht ganz so positiv wie in Deutschland. Jetzt hat man das Ding als Kinofilm in die Staaten gebracht, und dort fallen die Kritiken vernichtend aus (und noch eine). Na sowas, haben wir nicht Demut bewiesen und "Trauerarbeit" geleistet, und haben wir nicht ganz viele Kranzabwurfplätze eingerichtet, wo wir die Trauerarbeit in aller Demut ritualisieren können? Und jetzt sollten wir auf einmal selbstmitleidig sein und unsere Geschichte schönen?

Nein - doch - oh.

Also habe ich die gute alte iBox doch angeworfen und wollte mir den Gegenstand der Begeisterung (deutsch) und Empörung (die anderen) ansehen. 6 Minuten hats gedauert, bevor ich es wieder ausgemacht habe. Zwei Dinge fallen auf. Die furchtbaren Klischeecharakterefiguren und ihre vorhersehbaren Wendungen, als da wären (wohlgemerkt, ich gebe diese Voraussagen nach 6 Minuten):
  • linientreues Karbolmäuschen - wird ihren Nazismus bereuen. Unter Tränen. Und wahrscheinlich einem Russen. 
  • schneidig-arischer Leutnant - wird desillusioniert sterben oder desertieren. Bringt vielleicht noch einen Vorgesetzten oder SS-Mann um, um Unschuldige zu schützen.
  • empfindsam-lyrelnder Landser - wird zum harten Hund oder sterben oder als harter Hund sterben. Wahrscheinlich letzteres. Nimmt Rache an jenen, die ihn bis dahin zum Monster gemacht haben werden. 
  • junger, jüdischer Mann - wird den Holocaust in einer Kette unplausibler Wendungen überstehen. Ist glücklich, seine Nazifreunde wiederzufinden. 
  • Künstlerinnentyp - dieser Charakter ist wenigstens etwas unklar, ich ahne schmierige Verwicklungen, wird nicht glücklich werden und endet vielleicht in der Gosse.
Aber das Personal (gut besetzt übrigens) war es gar nicht, was mich zum Abschalten bewog. Die Auftaktszene führt alle Charaktere ein. Man trifft sich in einer Kneipe, steht kurz später davor und der jüdische Charakter kommt hinzu. "Schalom" begrüßt man sich lautstark.


Nochmal zum Mitschunkeln: Berlin 1941, ein Jude radelt zu seinen Freunden und ruft quer über die Straße "Schalom!" Der schneidige Wehrmachtsoffizier ruft was zurück? Klar doch, "Schalom". Das war bei ca. 5:30 und ich hab abgeschaltet.

Man kann nicht ausschließen, daß es eine solche Begebenheit gegeben haben mag, gleich wie schwer vorstellbar. Aber angesichts der Allgemeingültigkeit, in die sich Presseverlautbarungen und Werk hüllen wie in einen Mantel, eine Robe gar ("Unsere Mütter, unsere Väter versucht das bewegende Porträt einer schuldhaft verstrickten Generation", schreibt das ZDF), kann das nicht anders gesehen werden als Frechheit, oder aber als Gipfel von Ignoranz. Wir mögen "schuldhaft verstrickt" gewesen sein, aber man, war'n wir knorke und hatten doch auch nix gegen Juden. Wir hatten doch sogar unseren eigenen. Och Mennoooo, wir war'n doch auch nur Opfer.

Gerade über die Ambivalenz der deutschen Mehrheit als Opfer und Täter kann man debattieren, das ist ein Ansatz, den man verfolgen, mit Spannung und mit narrativem Drive erfüllen kann. Aber die hier in den ersten Minuten gezeigte blanke Idiotie desavouiert von vorneherein alle Glaubwürdigkeit, die dieser Film hätte haben können. Manchmal sind 5 Minuten genug Zeit, um unter aller handwerklichen Politur den Kern aus Dummheit zu erkennen, der alles antreibt, was so glatt über die Mattscheibe flimmert. Da spart man sich die restlichen fünf Stunden, denn wenn man wie ich vielleicht dem letzten Sandwich näher ist als dem ersten, beginnt man Zeit anders einzuschätzen.

Alternativ schlage ich Vilsmaiers Schlachteplatte Stalingrad von 1993 vor, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt, aber in ihrer Direktheit erschreckt und packt (88% auf Rotten Tomatoes). Die Langfassung von Das Boot ist natürlich immer empfohlen.

Ach ja: Wer hats denn gesehen und kann mir sagen, wie gut ich mit meinen Charaktervorhersagen liege?

3 Kommentare:

Bernd hat gesagt…

"Wer hats denn gesehen und kann mir sagen, wie gut ich mit meinen Charaktervorhersagen liege?"

Gut liegs'te. Sehr gut.

Anon hat gesagt…

Die einzige Frechheit ist es, einen Film nieder zu scxhreiben, den man nur 5 Min. gesehen hat.

Anonym hat gesagt…

Solange sich eine Steinbach ungehindert als Vertriebene gebärden darf wird sich da nichts ändern

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