Donnerstag, 23. August 2012

Durs Grünbein...

...schreibt Gedichte. Das macht er als Beruf und sein neuestes Pfund Gereimtes ist auf 227 Seiten im Suhrkamp-Verlag veröffentlicht worden, unter dem Titel Koloss im Nebel. Ja...

Also der Durs, der schreibt Gedichte.Was soll er auch sonst machen? Er heißt Durs. Durs Grünbein. Feuerwehrhauptmann, Gynäkologe oder Kammerjäger kann man mit dem Namen ja schlecht werden. Die anderen Feuerwehrhauptmänner, pardon, Feuerwehrhauptmänner und -männinnen, die würden ja doch nur lachen.

Also reimt er. Und im Definitionsfeld des Dichters macht er das ziemlich gut. Die Zielvorgaben des modernen deutschen Versmetzes sind eindeutig: Gymnasiallehrer in Oldenburg und Osnabrück beeindrucken. Solange Durs (Warum eigentlich "Durs"? Warum sind Eltern so grausam? Warum nicht "Urs"?), solange Durs also gelegentlich in Reime gepreßtes Blattgrün "kambrisch raunen" läßt, solange sind alle glücklich.

Der Durs, weil er was zu essen kaufen kann, und der in Wollstrick gehüllte Pädagoge mit Desillusionierungssyndrom, weil er glaubt, intellektuell angeregt zu werden. Win-win. Wer kann was dagegen haben?



Fritze Raddatz, pardon Fritz  J. Raddatz. In der WELT. Die ihn ohne erkennbare Ironie "zu den einflussreichsten Literaturkritikern der Bundesrepublik" rechnet. Da haben sie vollkommen recht. Aber man könnte sich über diesen Mißstand durchaus etwas echauffieren.

Er wirft dem Durs vor zu schwurbeln. Man muß einräumen, hier einen Vorwurf zu haben, den von der Hand zu weisen nicht ohne weiteres möglich ist. Andererseits: Knapp 10.000 Zeichen für diese Erkenntnis, die ähnlich tiefschürfend ist wie die, unter den Füßen einen Boden zu verspüren?

Raddatz schwurbelt nämlich selbst gerne und viel. Gäbe es ihn nicht, der andere Riese der deutschen "Literaturkritik", Reich-Ranicki, hätte ihn erfinden müssen. Neben Raddatz wirkt man zwangsläufig intellektuell. So begab es sich denn, daß Raddatz sich aufmacht, Durs des Schwurbelns zu überführen, wozu er, Raddatz, sich an Altkanzler Helmut Schmidt ("schwätzender Politiker"), Altpräsident Theodor Heuß (hat Hitler mit möglich gemacht) und schließlich am Deutschen an und für sich und als solchem abarbeitet.

Er zitiert dann den Durs um ihm hochgestochenes Schwurbeln zu unterstellen, Geltungssucht und das Bedürfnis, seine Leserschaft mit seiner Belesenheit zu beeindrucken. Das kann man mit jedem Text. Auch mit Raddatz, der sich lange darüber ausläßt, was ein Faiseur ist, um dann zu erklären, der Durs sei eben keiner. Ja, warum nochmal dann ein Absatz über "Faiseur"? Intellektuelle Geltungssucht? Blendwerk? Oder gar feine Ironie? Er sagt es uns nicht.

Im aufgewühlten Schlick dieses Textbeitrages ist eine Linie nicht zu finden. Nur die, daß der mächtige Literaturkritiker Raddatz den Durs eben nicht mag und ihm den "Platz neben Ovid" zu verweigern gedenkt. Das macht ihn nun fast sympathisch, den Durs.

Schön, daß Raddatz dann am Ende auch noch Karl Kraus (falsch) zitiert. Immerhin hat er selbst ja 1986 den Karl-Kraus-Preis angetragen bekommen, einen Preis, der seinen Träger (im Austausch für damals 30.000 DM) anregen sollte, auf künftige Veröffentlichungen zu verzichten. Immerhin hatte der berühmte Literaturkritiker Raddatz keine Ahnung, daß es zu Goethes Zeiten keine Hauptbahnhöfe gab (weil noch keine Bahnlinien). Aber wie sagte schon ein großer Philosoph aus dem skandinavischen Raum: "Das stört keinen großen Geist."

Insofern Durs: Reim weiter, laß es Dir von so Typen nicht versauen. Die Gymnasiallehrer dankens Dir.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Krawehl, krawehl!
Taubtrüber Ginst am Musenhain
trübtauber Hain am Musenginst
Krawehl, krawehl!

TheShadow hat gesagt…

Sehr schön auch: "Gedicht und Schuh"

http://kopkastagebuch.wordpress.com/2012/08/22/gedicht-und-schuh/

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